Der Elektrobranchenverband EIT.zentralschweiz wird 100. Der Präsident über Bildung, Konkurrenz und Frauen.
Interview: Maurizio Minetti / Luzerner Zeitung (Sa 20.11.2021)
Der Elektrobranchenverband EIT.zentralschweiz ist dieses Jahr 100 Jahre alt geworden. Hauptgrund für die Gründung im Jahr 1921 war, ein Gegenpol zur CKW aufzustellen. Der Zentralschweizer Energiekonzern wurde damals als «selbstherrlich» wahrgenommen und sein «Geschäfts- und Akquisitionsgebahren» wurde von den kleinen Elektroinstallateuren heftig kritisiert, wie im damaligen Gründungsprotokoll nachzulesen ist. Hundert Jahre später ist die Situation in der Gebäudetechnikbranche ähnlich. Staatlich oder kantonal kontrollierte Grossunternehmen wie CKW oder BKW machen sich über Firmenzukäufe in Gebieten breit, in denen zuvor privatwirt-schaftliche KMU tätig waren. Die Folge: Nicht staatlich orga-nisierte Betriebe können bei Projekten oft preislich nicht mithalten. Das Gewerbe wehrt sich gegen diese Expansions-strategie und mittlerweile ist auch die Politik aktiv geworden.
LZ: Wie geht es der Branche der Elektroinstallateure?
Martin Schlegel: Generell geht es der Branche sehr gut und wir können aktiv die Zukunft mitgestalten. Jedoch hat sich der Konkurrenzkampf verschärft: Es wird mit harten Bandagen gekämpft. Das führt dazu, dass sich die grossen Unternehmen vermehrt auch für kleinere Aufträge interessieren, die sie früher eher den KMU-Elektroinstallateuren überlassen haben. Einige Verbandsmitglieder stören sich zudem daran, dass grosse Konzerne sowie öffentliche und staatsnahe Unternehmen immer mehr in den privatwirtschaftlichen Bereich eindringen sowie Mit-bewerber übernehmen und so immer stärker wachsen.
Die CKW ist aber selbst Mitglied bei EIT.zentralschweiz. Wie geht das auf?
Man muss differenzieren: Es ist richtig, dass innerhalb der Branche Meinungsverschiedenheiten zu den Expansionsstrategien grosser Akteure bestehen. Auf der anderen Seite gilt es aber auch, die Branche nach aussen geeint zu positionieren. Ich denke da vor allem an politische Vorgänge. Der Verband muss mit einer Stimme sprechen, Grabenkämpfe bringen diesbezüglich nichts.
Welche politischen Ziele verfolgt der Verband aktuell?
Ein grosses Anliegen ist die bessere Positionierung der Berufslehre im Vergleich zur akademischen Bildung. Wir erleben hier in vielen Bereichen eine ungleiche Behandlung.
Ein Beispiel?
Bei der finanziellen Unterstützung der höheren Berufsbildung hat unsere Branche kürzlich einen Rückschritt erlebt. Per 2018 hat der Bundesrat die sogenannte Subjektfinanzierung eingeführt. Dieses Finanzierungssystem hat die verschiedenen kantonalen Subventionen abgelöst. Absolventinnen und Absolventen eidgenössischer Prüfungen erhalten bei erfolgreichem Abschluss bis zu 50 Prozent der Kosten, jedoch maximal 10500 Franken des Vorbereitungskurses vom Bund zurückerstattet, wenn alle Bedingungen erfüllt sind.
Das tönt doch vernünftig?
Ja, aber die Ausbildungskosten bis zum Abschluss einer Berufs- oder Höheren Fachprüfung betragen zwischen 20000 und 30000 Franken. Selbst mit einer Rückerstattung von 10500 Franken bleibt ein grosser Betrag übrig. Im Vergleich dazu sind Semestergebühren in der akademischen Ausbildung, etwa an der Universität, deutlich tiefer. Hinzu kommt: Im Gegensatz zu früher müssen Absolventinnen und Absolventen die Anträge selbst ausfüllen und ihren Lehrgang selber vorfinanzieren. Zuvor konnte ein Betrieb, wenn er wollte, die gesamte Weiterbildung vorfinanzieren und mit dem Angestellten Vereinbarungen treffen im Fall, dass er oder sie nicht besteht. Das ist heute nicht mehr möglich. Die neue Regelung kann ein Hinderungsgrund sein, überhaupt einen Vorbereitungskurs zu absolvieren.
Sie betreiben mit dem Elektro-Ausbildungszentrum Zentralschweiz in Horw eine solche Bildungsstätte. Spüren Sie dort einen Rückgang bei den Weiterbildungen?
Wir haben in Horw einen regen Zulauf von Berufsschülern, aber im Bereich Weiterbildung harzt es. Langfristig hilft die Subjektfinanzierung sicher nicht dabei, den Beruf attraktiver zu machen. Dabei herrscht Fachkräftemangel und wir sind darauf angewiesen, möglichst viele Menschen für Berufe rund um Elektroinstallation zu begeistern.
Der Fachkräftemangel ist ein Dauerthema. Was unternimmt der Verband dagegen?
Einerseits ist da unser Herzstück, das Ausbildungszentrum in Horw, in welchem wir hochwertige, zukunftsorientierte und vom Markt gefragte Aus- und Weiterbildungen anbieten. Und bei diesen Aus- und Weiterbildungen profitieren Mitgliederfirmen von besseren Kondi-tionen. Ausserdem sind wir immer an der Zentralschweizer Bildungsmesse Zebi anzutreffen, wo wir nicht nur Schülerinnen und Schüler, sondern auch Eltern und Lehrpersonen beraten und aufklären. Und nun setzen wir einen besonderen Fokus darauf, unsere Berufe für Mädchen und Frauen attraktiver zu machen. An der gestrigen Generalversammlung von EIT.zentralschweiz ist erstmals eine Frau in den Vorstand gewählt worden: Sabrina Simmen, Geschäftsführerin Administration der Schibli Elektrotechnik AG in Attinghausen, wird sich dem Thema ab 2022 annehmen. Unser Verband hat das klare Ziel, die Frauenquote in der Zentralschweiz zu erhöhen.
Ob Mann oder Frau: Muss man denn nicht befürchten, dass die Digitalisierung den klassischen «Stromer» obsolet macht?
Eben nicht. Kein Roboter wird je die Arbeit machen können, die eine Elektroinstallateurin heute leistet. Kanaldeckel öffnen, Spannung kontrollieren, Fehler eruieren: Diese Arbeitsschritte kann eine Maschine heute so nicht ausführen. Ausserdem wird der Beruf ja immer komplexer, wir beschäftigen uns auch mit Fotovoltaik, Autoladestationen und dergleichen. Es gibt zwar Heizungsfachleute oder Spezialisten für Lüftungen, aber ein guter Elektroinstallateur, Gebäudeinformatiker oder Elektroplaner hat die Gabe, alle Fäden in der Hand zu haben und diese verschiedenen Systeme richtig zu verknüpfen. Ich sehe in diesem Beruf deshalb sehr gute Zukunftsaussichten.